Mein erster Aikido-Lehrer war Asai Sensei. Ihm verdanke ich wirklich viel, in seiner Person spürte ich die Richtigkeit meiner Suche. Das intensive Training der ersten Jahre hat mich geformt. Ich lernte aufzustehen, wenn ich nicht mehr glaubte aufstehen zu können und die Dynamik des Trainings erzwang natürliche Bewegung. Durch Herrn Asai lernte ich Noro Sensei und Tada Sensei kennen.
Tada Senseis Bewegung war schnell und stark aber man sah ihr an, dass er viele Jahre Karate praktiziert hatte. Ich war beeindruckt von seiner Klarheit und Schärfe und erkannte diese als Ausdruck einer geistigen Klarheit. Mein Kontakt zu Tada Sensei war kurz, Intensiv aber richtungweisend. Ich entschied: „Der Geist von Tada, die Bewegung von Noro“ und ging nach Paris zu Noro Sensei. Da keiner meiner Aikido-Lehrer über die geistigen Aspekte des Aikido sprach, fühlte ich mich zurückgeworfen auf mich selbst. Die Bewegung meiner Lehrer war mir erstaunlich schnell vertraut, aber mir war klar, dass es um mehr geht, um das, was unsere Bewegung formt und was unser Sein in uns selbst und in der Welt in seinem innersten Kern ist.
Noro Senseis Bewegung erschien mir vollkommen und er sprach über Harmonie, Liebe oder die Kraft des Universellen, um die es ginge im Aikido. Und er lehrte – wie meine anderen Lehrer auch – dass das Augenblickliche noch nicht ausreichend sei, dass er selbst – und noch viel mehr wir Schüler – noch einen weiten Weg vor uns hatten. Einmal, während Meister Noro etwas erklärte, wurde mir urplötzlich klar, worum es ging. Ich hatte irgendwann in der Kindheit meinen Körper allein gelassen – so meine damalige Formulierung – und ich müsse lediglich wieder zu diesem zurückzukehren. Diese Erfahrung, wie eine kurze Begegnung mit Tohei Sensei, bestätigten mein Gefühl, dass die Alltagsbewegung oder die alltägliche Haltung eine Schlüsselrolle in meiner Suche einnehmen müssten. Nachdem mir bewusst geworden war, dass das Ziel nicht in endlosem Üben und nicht im Streben nach Verbesserung liegt, entschied ich mich nach Japan zu gehen.
1974 trainierte ich das erste Mal bei Yamaguchi Sensei, am Hombu Dojo. Seine Bewegung hatte jene unspektakuläre Einfachheit die ich suchte, gerade darin war sie spektakulär. Die Effektivität seines Aikidos lag nicht unmittelbar in der Technik, sondern in ihren Natürlichkeit. Die Bewegungen meiner frühen Lehrer waren vielleicht effektiver, Yamaguchi Sensei aber hatte ein grenzenloses Potenzial. Sein Aikido zeigte auf den Menschen. Oft sprach ich mit ihm über den geistigen Aspekt des Aikido, meine Forderung, die geistigen Aspekte während des Trainings stärker anzusprechen, beantwortete er stets mit: „People don´t understand“. Den Tod vor Augen hatte er mir beim Tee offenbart, dass er ohne Alter sei. „Ich auch“, antwortete ich ihm, und wir lachten über das Leben. Jetzt ist er tot und ich bin dankbar für das was er mir zeigte. Mit den Worten:„Du bist lange schon dein eigener Lehrer“, verabschiedete er sich von mir.
(Yamaguchi Sensei mit Gerhard Walter in Berlin, 1991)
Immer wenn ich in Japan war, führte ich lange inhaltliche Gespräche mit K. Ueshiba, der mir als zweitem Europäer 1992 die Prüfungsrechte für das Hombu-Dojo gab. Mein erster Lehrer, Asai Sensei, vertrat jedoch die Ansicht, dass ich dafür Deutschland verlassen müsse, dass Deutschland ihm gehöre. Ich verzichtete auf eine Klärung dieser kuriosen Sichtweise und gründete mit den höchsten Lehrern des Aikikai einen eigenen Verband der Aikido-Lehrer (BDAL) in Deutschland.
Das erstes Zen-Sesshin an dem ich (1968) teilnahm, leitete Nagaya Roshi, in Paris saß ich oft in der Rue Pernety, dem alten Dojo von T. Deshimaru Roshi. Mein Kontakt zu diesen beiden Lehrern war jedoch nicht so eng, dass ich sie beschreiben mag. Während meines Japanaufenthaltes, 1974, praktizierte ich Zen bei Yamada Roshi / Kamakura. Da in seinem Zen-Do nur an den Sonntagen reguläres Za-Zen praktiziert wurde, entschied mich in ein Zen-Kloster zu gehen.
In Harada Roshi, dem Abt des Kloster Hosshinji, fand ich noch einmal einen Menschen, der Richtungweisend für mich war. In meiner Achtung, wie auch in meinem Herzen, stehen all diese Lehrer an gleicher Position, von jedem konnte ich etwas anderes nehmen. Jeden von ihnen traf oder fand ich zur richtigen Zeit. Meine erste Lehrerin aber war meine blinde Mutter. Sie hatte mich gelehrt, mit allen Sinnesorganen zu sehen.
Die Bedeutung der Lehrer kann man nicht überschätzen, immer aber war ich auch mein eigener Lehrer. Ich war offen und leer genug , das Gezeigte und Gehörte nicht zu verzerren, ich konnte es stehen lassen , auch wenn ich mit meinem Erfahren noch nicht dort angekommen war und ich vertraute meiner Intuition. All das steht für den Lehrer in mir, der ich von Anfang an war. Der Lehrer in uns, das ist das Leben selbst. Nie belastete mich der Gedanke, dass meine Lehrer etwas konnten, das mir unerreichbar sein sollte. Noch bevor ich es realisierte, hatte ich geahnt, dass es allein darum geht, da zu sein, wo man ist.