Hiroshi Tada, 9. Dan Aikikai über Gerhard Walter: „Das ist richtiges Aikido, er weiß, worum es geht“


Masamichi Noro, 8. Dan Aikikai: "Gerhard Walter ist meine Hoffnung für das Aikido"

Saigo Yamaguchi 9. Dan Aikikai:"Du bist lange schon dein eigener Lehrer"

Harada Roshi:"Du bist leer, und hast es in den Alltag geholt".

stempelAikido-Zen

Aikido wird zur Gruppe der japanischen Kriegskünste (Budo) gezählt, deren ursprüngliches Ziel darin bestand, den Samurai zu befähigen, sich selbst am Rande des Abgrundes von Leben und Tod noch frei bewegen zu können. Da hierfür eine geistige und mentale Schulung ebenso notwendig war wie die des Körpers, kam es in der Kamakuraperiode (1185-1333) zu einer Annäherung der Samurai an den Zen -Buddhismus, dessen kontemplative Schulung auch eine Auseinandersetzung mit dem Tod beinhaltet. Die absolute Dimension des Aikido, die den Menschen zur Ergründung seiner ursprünglichen Identität führt, hat im Zen ihre Wurzeln. Die Samurai gehören der Vergangenheit an, die Besinnung auf unsere Integrität jedoch ist notwendiger denn je. Freiheit, Offenheit und Selbstvertrauen, aber auch Durchsetzungsvermögen, Intuition und Kreativität haben einen weitaus höheren Stellenwert als die Idee des Wettkampfes. Liebesfähigkeit, Gesundheit und festen Boden unter den Füßen zu haben, zählen mehr als bloßer körperlicher Aktivismus. Als Morihei Ueshiba (1883-1969) den spirituellen Aspekt zu einem zentralen Anliegen der Verteidigungskunst machte und jegliche Militanz und Gewalt ausgrenzte, entstand ein neues Budo. Der von ihm verwendete Name Aikido bedeutet dementsprechend: Weg (do) des Einklangs und der Harmonie (ai) mit kosmischer Energie (ki). Immer wieder warnte Ueshiba vor einem falschen Verständnis des Aikido und bezeichnete das an Macht und Wettkampf sich orientierende Budo als eine Angelegenheit für „verbogene Menschen“. Budo ist weder ein Werkzeug, die Welt mit Waffen in die Destruktion zu führen, noch dient es dazu, Angreifer niederzuschlagen. Wahres Budo ist es, mit dem Geist des Universums in Einklang zu sein, wahres Budo ist Liebe“ (M. Ueshiba).

So verstanden, sind die fließenden Bewegungen des Aikido eine beständige Chance für den Übenden, sich selbst im Zentrum der Bewegung zu finden. Oft vermuten Anfänger, Aikido und Meditation seien Techniken, Körper und Geist zu kontrollieren oder zu beherrschen, doch das ist ein Irrtum. Auf Körperbeherrschung läßt sich wegen der damit verbundenen Selbstunterdrückung nur eine Scheinsicherheit aufbauen, Angst und Destruktion lassen sich mit den Mitteln der Kontrolle nicht auflösen. Genau wie in der Liebe geht es im Aikido und der Meditation um die Einheit des Menschen und die Entfaltung seiner physischen wie spirituellen Möglichkeiten. Liebe in die Weit zu bringen, ist unsere göttliche Dimension, Gewalt dagegen ist ein Zeichen von Unfreiheit. Es ist eine Tatsache, daß Gewalt gegen andere sich immer auch gegen uns selbst richtet, und daß Liebe für andere nicht möglich ist ohne Liebe zu uns selbst. Diese Herausforderung ist total. Wir müssen alles geben, um alles zu gewinnen. Alles, das meint höchste Individualität und grenzenlose Identität. Wir sind eins mit jedem Staubkorn im Weltall. Das Göttliche und das Profane berühren sich nicht, sie sind eins.

Der erste Schritt besteht darin, die Verantwortung für sich selbst zu erkennen und zu übernehmen. Wir müssen damit aufhören, die Umstände oder andere Menschen verantwortlich zu machen für unser Befinden und erkennen, daß wir selbst die Bedingung unseres Seins sind. Menschen leiden jedoch nicht nur an der Verdrängung des Leids, sondern ebenfalls an den hilflosen Versuchen Glück festzuhalten. Festhalten wie Verdrängen aber sind gleichermaßen Aktivitäten, die Leid vermehren und Präsenz verhindern. Verdrängung ist das Bemühen, uns in einem Prozeß der Rationalisierung von unserem Körper, den Gefühlen und der Sinnlichkeit abzuspalten. Diese Ausgrenzung ist nichts anderes als eine Eingrenzung unseres Geistes in einen Käfig, den wir Verstand nennen. In Folge dieser Einseitigkeit beziehen wir unser Selbstbewußtsein nicht mehr aus der ganzen Fülle unseres Seins, sondern lediglich aus der Reduziertheit des abstrakten Denkens und der Erinnerung. Dabei verlieren wir die Offenheit für das Neue und für den Augenblick und bemerken nicht, daß Glück weniger in einem bestimmten Umstand seine Ursache hat, als vielmehr in der Tatsache, daß wir für einen begrenzten Zeitraum die immer vorhandene Zeitlosigkeit des Augenblicks erleben. Der adäquate Umgang mit Glück wie mit Leid aber ist der des Loslassens.

„Wenn du keine Zeit hast, mache einen Umweg“ heißt es im Zen. Dieser Umweg ist im Aikido der, ein vordergründiges Ziel zurückzustellen und statt dessen den ganzen Menschen einzubeziehen. Obwohl Aikido genau wie zur Zeit der Samurai zur optimalen Verteidigungsfähigkeit führt, muß man doch erkennen, daß Präsenz sich selbst genügt. Wie der Zen – Bogenschütze sich darin schult, auf die Unendlichkeit zu zielen und mit dem Geist der Absichtslosigkeit sicher die Scheibe trifft, so müssen wir im Aikido Selbst und Selbstverteidigung fallen lassen, um zu einer umfassenden Präsenz zu gelangen. „Sphärische Bewegungen stellen die Basis des Aikido dar. Ein Kreis symbolisiert die Leere, und Leere ist der ursprüngliche Zustand des Geistes. Es ist ein Zustand vollkommenen Friedens. Ki wird geboren, wenn sich ein Zentrum entwickelt inmitten der Leere‘. (Ueshiba). Was man im Aikido lernt, ist gleichermaßen eine Technik wie auch die Fähigkeit, ganz und gar eins zu sein mit seinem Tun. In diesem Einssein liegt der Schlüssel zum Alltag, es sprengt die Begrenzung der Übungshalle und macht die ganze Welt zum Dojo. Eins zu sein mit dem Aikido heißt, die Verteidigungstechniken zu studieren, und derart zu verinnerlichen, daß am Ende natürliche Bewegung übrigbleibt. Es geht also weder darum, stärker und besser zu sein als andere, noch um Unverwundbarkeit und Unbesiegbarkeit, sondern allein um das, was man Erleuchtung nennt. Erleuchtung aber ist nicht die letzte und höchste Stufe auf einer Leiter des Fortschritts, sondern das Eintauchen in die Zeitlosigkeit des Augenblicks. Es ist, wie Lao Tse schrieb: „Weil der Weise sich selbst vergessen kann, wird sein Selbst verwirklicht“. Mit 20 Jahren entschied ich mich, den Weg des Aikido und des Zen zu gehen. Ich war der höchste Schüler K. Asais in Deutschland und lebte als Uchi Deshi (Meisterschüler) bei M, Noro (Paris). Seit 1975 gehe ich jährlich für einige Monate nach Japan, und lebe als Laienmönch im Zen Kloster Hosshinji bei Harada Roshi. In Tokyo trainiere ich Aikido bei S. Yamaguchi.